| |
Brief an das Amtsgericht von
Anwalt 15
|
Briefkopf von Anwalt 15
|
Kanzlei-Adresse............. Amtsgericht Lörrach
Bahnhofstr. 4
79539 Lörrach
|
|
Per Telefax: 076 21 / ................. |
Freiburg, den 25. September 2019
(xx/yy) |
.....Moser,.....
Bitte bei Korrespondenz immer diese
Aktenbezeichnung angeben31 Cs 86 Js 17536 / 17
In dem Strafverfahren gegen G.......... MOSER
wegen Verdachts der Beleidigung
wird die mit Schriftsatz vom 3. September 2019 eingelegte
Berufung gegen das
Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 2. September 2019 wird wie
folgt
begründet:
Frau Moser wurde wegen Beleidigung und verbotener Mitteilung
über Gerichts
verhandlungen zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu je 30,00
€ verurteilt.
|
1. |
Das Gericht hat die Verurteilung wegen Beleidigung damit
begründet, dass Frau Moser die Nachbarin Nachbarin-X „elendiges
Lügenluder" genannt haben soll. Die Verurteilung wegen
verbotener Mitteilung über Gerichtsverhandlungen stützt sich
darauf, dass Frau Moser in einem gegen sie selbst gerichteten
Strafverfahren das Protokoll der Vernehmung einer Zeugin in
anonymisierter Form ins Internet gestellt hatte.
|
|
- 2 -
|
2. |
Die gegen dieses Urteil einlegte Berufung ist zulässig. es liegt
ein Fall der Annahmeberufung vor, da die hier verhängte Anzahl
der 15 Tagessätze innerhalb der Grenze liegt, nach der gemäß §
313 Abs. 1 StPO die Berufung der speziellen Annahme bedarf.
Die Berufung ist aber anzunehmen, weil sie nicht offensichtlich
unbegründet ist (§ 313 Abs. 2 StPO).
|
3. |
Das angefochtene Urteil geht zu Unrecht vom Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen des § 185 StGB aus. Es handelt sich
um eine Situation mit einer Aussage — gegen — Aussage -
Konstellation. Frau Moser hat die Beleidigung in Abrede
gestellt. Die Aussage der Zeugin Nachbarin-X, dass Frau Moser
rumgeschrien und sie dabei beleidigt habe, hat sich hinsichtlich
des Vorwurfs des Schreiens aufgrund der Beweisaufnahme als
unzutreffend erwiesen. Zeuginnen, die mit ihren Hunden in der
Nähe waren, haben in der Hauptverhandlung ausgesagt, dass sie
kein Schreien gehört haben. Bei dem Inhalt der Worte kommt es
daher allein auf
die Aussage der Zeugin Nachbarin-X an. Zu ihr heißt es im Urteil
zwar, dass sie „glaubhaft und ohne Belastungstendenz" ausgesagt
hätte. Dies lässt sich an-hand des Urteils jedoch nicht
nachprüfen.
Das Protokoll dagegen liegt hier bisher nicht vor. Es
entspricht auch nicht dem Ergebnis der Beweisaufnahme, in
welcher sich herausstellte, dass zumindest der Vorwurf des
Schreiens unzutreffend und von der Zeugin hinzugefügt worden
war.
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob mit der Bezeichnung
„Luder" überhaupt schon eine Beleidigung verbunden ist. Der
Begriff hat eine Wandlung durchgemacht. Seit etwa 20 Jahren ist
er zwar noch nicht wertneutral, aber auch nicht beleidigend. In
Zusammensetzungen wie „Boxenluder", „Partyluder", „Promiluder"
oder „Luderliga" hat es sich im Sprachgebrauch der Medien
verbreitet. Im Lexikon der bedrohten Wörter (Rowohlt 2005, S.
124) schrieb Bodo Mrozek:
„Das Wort Luder kann auf eine erstaunliche
Begriffskarriere in
den 1990er Jahren zurückblicken, als die Gazetten
plötzlich einen neuen Typus Frau entdeckten, der mit
Hilfe unkonventioneller Methoden die Aufmerksamkeit
prominenter Personen sucht." |
Das Wort ist damit zwar weiterhin nicht positiv besetzt, es
hat aber bei weitem nicht den negativen Beigeschmack, welcher
einer Beleidigung innewohnt. Es erfüllt deshalb nicht den
Tatbestand des § 185 StGB. Diese Grenze würde auch durch ein
hinzugefügtes „elendiges" nicht überschritten.
|
|
- 3 - |
4. |
Das angefochtene Urteil geht weiter zu Unrecht vom Vorliegen
einer Strafbarkeit nach § 353d StGB aus. Rechtsgut ist primär
das Persönlichkeitsrecht des vom Verfahren Betroffenen und die
Aufrechterhaltung der Unschuldsvermutung (vgl. Münchner
Kommentar — Puschke, § 353d StGB Rn. 5). Insoweit schützt es
also Frau Moser selbst. Unter diesem Aspekt kann sie über das
Rechtsgut disponieren.
Darüber hinaus soll die Norm aber auch den Schutz der
Unbefangenheit der Laienrichter und Zeugen gewährleisten (vgl.
Münchner Kommentar — Pusch- ke a.a.O.). Laienrichter sind
vorliegend am Verfahren nicht beteiligt gewesen. Auch der
Berufsrichter kannte bereits die Akte und konnte daher nicht
mehr beeinflusst werden. Auch die Beeinflussung von Zeugen war
konkret nicht möglich, dass es gerade um die Zeugenaussage der
einzigen Zeugin ging.
Das Gericht hätte sich daher damit auseinandersetzen müssen,
ob überhaupt eine Rechtsgutverletzung vorliegt. Darüber hinaus
ist nach § 34 StGB eine Rechtfertigung möglich, wenn die
Beschuldigte sich nur so gegen die Vorwürfe wehren kann (vgl.
Lackner/Kühl, § 353d StGB Rn. 4 m.w.N.). Das ist namentlich dann
der Fall, wenn sich die Beschuldigte gegen eine öffentliche
Vorverurteilung wendet. Diese beispielhafte Erzählung in der
zitierten Fundstelle ist aber nicht abschließend, so dass auch
die vorliegende Konstellation erfasst sein kann.
Darüber hinaus war die — soweit ersichtlich zu dieser Zeit
ist anwaltlich vertretene — Angeklagte bei der Akteneinsicht
nicht über ihre Verschwiegenheitspflicht belehrt worden. Sie
ging deshalb davon aus, dass sie nichts Verbotenes mache. Das
angefochtene Urteil hätte deshalb in diesem Zusammenhang der
Frage nachgehen müssen, inwieweit ein unvermeidbarer
Verbotsirrtum vorlag.
|
Aus all dem ergibt sich, dass die Berufung offensichtlich
begründet, jedenfalls „nicht offensichtlich unbegründet"
im Sinne des § 313 Abs. 2 StPO ist. Anwalt 15
Rechtsanwalt |
|